St. Meinolf

St. Meinolf

St. Meinolf

Architekten bezeichnen den Kirchentyp, wie man ihn mit St. Meinolf vorfindet, als Richtungsbau oder als Wegekirche. Und viele Mitglieder der ehemaligen Pfarrei St. Meinolf werden dies von ihrer Kirche sagen: Sie ist eine Kirche, die meinen bisherigen Weg mitgegangen ist – in Höhen und in Tiefen.

Der Fuchsbau

Von außen betrachtet steht man hier vor einem klassischen Fuchsbau, einem Bau ganz nach den Vorstellungen des einstigen Kunstsachverständigen des Erzbistums Paderborn, Prof. Aloys Fuchs. Für ihn war wichtig, dass ein Kirchenneubau als Werk seiner Zeit erkennbar, also kein neogotischer oder neoromanischer Bau ist. Dennoch sollte er die Tradition beibehalten und sich an der alten Form der Basilika orientieren, außerdem eine den Altarraum umlaufende Sakristei haben, im Inneren sollten fünf Stufen zum Altar führen, der zugleich eins mit dem Tabernakel sein sollte. Mit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils hatten diese Vorgaben ihre Bedeutung verloren, die Kirche sieht heute nach mehreren Umbauten anders aus. Gelungen ist besonders der letzte Umbau unter Pfarrer Gerhard Spruck, weil das neue Liturgieverständnis des Konzils nicht „gegen den Bau“ hineingepresst worden ist. Im Gegenteil: Der Charakter der Wegekirche – oder besser: der Begleitkirche ist verstärkt worden.

Im Juni 1934

begann der erste Bau der Kirche, Architekt war Ludwig Braun, im Oktober 1935 weihte sie der damalige Paderborner Erzbischof Caspar Klein. Damals sah die Kirche nicht nur innen, sondern auch außen noch anders aus als heute. Dach und Eingangsfassade unterschieden sich deutlich von der heutigen Gestaltung und es gab keinen Turm. Der kam nach dem Krieg hinzukam. Den Wiederaufbau in den Jahren nach dem Krieg leitete der Architekt Ferdinand Hürland.

Wer den Innenraum der St. Meinolf-Kirche betreten möchte, steht im Vorraum zunächst vor einem Rätsel. Man sieht schon das Innere, doch vor den Blick schiebt sich auf den Türen ein Text, den man nur mühsam entziffern kann. Dieses Bruchstückhafte mag ein Bild für das Leben sein, ist doch der Anfang von allem ein Rätsel: Wann hat das Universum anfangen? Wann beginnt das Leben? Wann hat die Liebe zwischen zwei Menschen begonnen? Und ganz sicher steht das Bruchstückhafte auch für die Liturgie, die drinnen gefeiert wird und nach Worten des Konzils nur ein Vorgeschmack und nicht schon die himmlische Liturgie ist.

Der Weg eines Christenmenschen beginnt mit der Taufe und so steht in St. Meinolf am Eingang der Kirche das Taufbecken in einer kleinen Taufkapelle unter der Orgelbühne. Den Taufstein samt Deckel hat ein junger Künstler gestaltet: Walter Ditsch. Von ihm sind in der Kirche auch die wunderbare Josefsfigur auf der rechten Seite und der Meinolfschrein im Altar. Diese Werke gehören zu den wenigen, die es von Ditsch noch gibt. Der Bildhauer, 1911 in Hövelhof geboren, hat viele seine Werke selbst zerstört, viele sind dem Krieg zum Opfer gefallen, wie der Künstler selbst: 1942 stürzte er in Afrika ab.

Auch die St.-Meinolf-Gemeinde hat im Krieg dramatisch gelitten. Am 17. Januar 1945 gab es einen großen Bombenangriff auf Paderborn mit verheerenden Folgen. Die Kirche war getroffen, jedes Haus der Gemeinde war in irgendeiner Weise beschädigt und etwa 100 Gemeindemitglieder waren zu Tode gekommen. Weil man nicht wusste, wohin mit den Leichen, brachte man sie in die Kirche – für die, die das gesehen haben, ein unvergessliches Bild. Auch bei den weiteren Luftangriffen im März 1945 gab es Tote und wurde die Kirche getroffen. Mit dem Wiederaufbau begann die Gemeinde schon vor Kriegsende. Pfingsten 1945 wurde der erste Gottesdienst in der Kirche gefeiert, die Kirche hatte noch kein Dach, und die Chronik berichtet, dass die Sonn- und Feiertage bis zum Winter regenfrei waren. Am 7. November 1948 weihte Erzbischof Lorenz Jaeger die Kirche ein zweites Mal ein.

Nach dem Konzil wurde die Kirche und vor allem der Chorraum mehrfach umgestaltet, zuletzt 1999. Unter Pfarrer Gerd Spruck, wurden der Altarraum abgesenkt und die Stufen reduziert, die Sitze für Priester und Ministranten im Halbkreis angeordnet, so dass der Priester nun der Gemeinde nicht mehr gegenübersitzt bzw. steht, sondern sich mit ihr um den Altar versammelt – zumindest ist dies angedeutet. Diese Anordnung der Sitze, die Position des Altars und der Bodenbelag ähneln der Gestaltung der Taufkapelle rund um den Taufstein. Durch diese spiegelbildliche Anordnung ist der Zusammenhang von Taufe und Eucharistie optisch hergestellt. Oder um es mit Blick auf die Wegekirche zu sagen: Es wird deutlich, was die Taufe bedeutet: Aufnahme in die Weggemeinschaft derer, die um Christus versammelt und mit ihm unterwegs sind zum Himmlischen Jerusalem.

Die Gegenstände im Altarraum, also der Ambo, der Altar und vor allem der Tabernakel sind Werke des Paderborner Bildhauers Josef Rikus. Im Altar steht der Reliquienschrein des hl. Meinolf, des ersten Heiligen des Paderborner Landes. Er hat die Reliquien des hl. Liborius von Le Mans nach Paderborn geholt. Auf dem Schrein ist unter anderem die Szene zu sehen, die auch auf dem Deckel des Taufbeckens dargestellt ist: Wichtrud bittet Bischof Badurad um die Taufe ihres Sohnes Meinolf, der auf dem Arm seines Taufpaten, Karls des Großen, ruht. Später wurde Meinolf zum Archidiakon, heute würde man „Generalvikar“ sagen.

Der riesige Tabernakel ist ein leicht zu erkennendes Motiv: ein Lebensbaum, ein „arbor vitae“ mit großen Blättern, die einen wahrlich vor Regen und Sonnenhitze schützen können. Im Stamm dieses Lebensbaumes findet sich der Tabernakel, in dem wiederum der Leib Christi aufbewahrt wird. Aus ihm also wächst das Leben.

Wer von vom Altarraum zur Tür schaut, entdeckt, was er bislang nicht gesehen hat, auch nicht wirklich sehen konnte: die Fenster über der Orgelbühne, Arbeiten des Künstlers Hubertus Spierling aus Krefeld. Und hier wird nun vielleicht noch nicht offenbar, aber doch sichtbar, was an den Türen in rätselhafter Schrift angedeutet ist: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat.
Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. (…) Es wird keine Nacht mehr geben und sie brauchen weder das Licht einer Lampe noch das Licht der Sonne. Denn der Herr, ihr Gott, wird über ihnen leuchten und sie werden herrschen in alle Ewigkeit.“ (aus der Offenbarung des Johannes)
Wer die Kirche betritt, steht vor einem Rätsel, wer sie verlässt, kann dies im Angesicht einer Verheißung tun. Von einer solchen Kirche möchte man sich begleiten lassen.

Text: Claudia Auffenberg