St. Elisabeth

St. Elisabeth

St. Elisabeth

Jede Kirche hat ihr eigenes Thema, einen oder mehrere rote Fäden, die man in ihr entdecken kann. In der Kirche St. Elisabeth ist ein roter Faden das Thema Kopie. Das klingt für heutige Ohren nach billiger Nachahmung, nach mangelnder Kreativität, schließlich will man selbst am liebsten ein Original sein, nämlich unverwechselbar. Doch schon auf der ersten Seite der Bibel heißt es, dass der Mensch eine Kopie ist, ein Abbild Gottes.


Der Fuchsbau

Die Elisabethkirche ist nicht direkt eine Kopie, aber man muss doch zugeben, dass sie der Kirche St. Meinolf zum Verwechseln ähnlich sieht: gleiche Form, gleicher Baustil, gleiches Material. Das ist kein Zufall, denn beide Kirchen sind so genannte Fuchsbauten, errichtet unter der Ägide des Prof. Dr. Aloys Fuchs. Der Domkapitular war über Jahrzehnte die maßgebliche Figur der Kunst- und Baugeschichte des Erzbistums Paderborn. 

Der Bau der Kirche

Er hatte klare Vorstellungen davon, wie eine Kirche auszusehen hat, und natürlich hat er diese bei den Kirchen, die in Paderborn, also gewissermaßen unter seinem Bürofenster, entstanden sind, besonders engagiert eingebracht. Beim Bau der Elisabethkirche, der im Mai 1956 mit der Grundsteinlegung begann, hatte er es zudem mit einem jungen und noch unerfahrenen Architekten zu tun: Ferdinand Hürland. Notwendig geworden war der Bau der Kirche nach Meinung des Erzbischofs, weil die Muttergemeinde St. Meinolf schon 7000 Seelen zählte und zudem viele Ostvertriebene in dieser Gegend der Stadt wohnten.

Die Gestalt der Kirche

orientiert sich – gemäß dem Anliegen von Prof. Fuchs – an den altchristlichen Basiliken: eine große, rechteckige Halle. Man betritt die Kirche von Osten her durch eine von drei Türen und gelangt zunächst in einen kleinen Vorraum. Im eigentlichen Kirchenraum fällt der Blick, geführt durch den Mittelgang, sofort auf den gegenüberliegenden Altarraum. Bis zur Renovierung in den 1970er-Jahren schaute einen dort ein großer Christus an, ein Mosaik, das heute hinter der jetzt sichtbaren Natursteinwand verschwunden ist. Die Renovierung war zum einen wegen der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils, zum anderen wegen erheblicher Feuchtigkeitsschäden nötig geworden.

Der Paderborner Bildhauer Josef Rikus

gestaltete den Altarraum neu, so dass er nun wie eine steinige Gebirgslandschaft wirkt. Der Eindruck verstärkt sich, wenn man dort einmal steht. Ist dies der Gottesberg Horeb? Es ist jedenfalls der Ort, an dem Gott in die Mitte der Gemeinde kommt, der dreifaltige Gott. Hier steht der Altar, und in der dreiteiligen Felsenwand mit typischen Rikusformen befindet sich der Tabernakel. Darüber hängt ein großes Kruzifix, das 1986 der damalige Pfarrer der Gemeinde aus seiner früheren Wirkungsstätte in Soest mitgebracht hat. Im Altar ruhen die Reliquien der hl. Theodora, einer Frau.

Eine Frau ist auch die Patronin der Kirche

Einen Patron bzw. eine Patronin zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Im Gespräch waren damals auch Wichtrud, die Mutter des Hl. Meinolf, die aber selbst nicht heilig ist und somit nicht in Frage kam, oder auch die hl. Kunigunde, gewissermaßen als Pendant zur Heinrichskirche im Nordosten der Stadt. Die Wahl fiel bekanntlich auf die Patronin der Caritas, Elisabeth von Thüringen. Sie schien damals in dieser Nachkriegszeit, in der das Wirtschaftswunder noch lange nicht alle erreicht hatte, die passende Namensgeberin zu sein. An ihrem Festtag, dem 19. November, hat Kardinal Lorenz Jaeger die Kirche im Jahr 1957 geweiht. Elisabeth war die Tochter des ungarischen Königs und wurde im 13. Jahrhundert mit Ludwig, dem Landgrafen von Thüringen verheiratet. Schon bald wurde sie Witwe und wandte sich danach in radikaler Weise den Armen zu.

Mit Anfang 24 starb sie völlig entkräftet und vom Hofe verstoßen. Eine Figur von ihr aus der Werkstatt der Gebr. Deutschmann findet sich im Altarraum.
Auch eine andere große Frau der Caritas hat in der Kirche ihren Platz: Pauline von Mallinckrodt ist im linken Seitenschiff zu sehen, mit zwei blinden Kindern an ihrer Hand. Pauline ist eine der großen Figuren des 19. Jahrhunderts, als durch dramatische politische, gesellschaftliche und technische Umwälzungen die Soziale Frage das Land erschütterte.

Betrachtenswert und zugleich etwas rätselhaft

sind die Fenster der Kirche, Werke des Künstlers Josefthomas Brinkschröder. Über der Orgelbühne ist eine wunderbare Rosette zu sehen, deren Motive an das Lied „Es jubelt aller Engel Chor“ erinnert, denn wer genau hinschaut, entdeckt ein himmlisches Orchester: Engel mit allerlei Instrumenten spielen auf zur Ehre Gottes.
Die Fenster in den Seitengängen der Kirche orientieren sich am Glaubensbekenntnis der Kirche. Die Motive sind nicht auf den ersten Blick zu erkennen, sie sind nicht eindeutig. Aber was im Leben, auch im Leben eines Gläubigen, ist schon eindeutig?
Gegenüber der Pauline von Mallinckrodt steht eine Kopie der berühmten Pieta von Michelangelo. Wieder eine Kopie? Ja, aber an ihr wird deutlich, was eine gute Kopie ausmacht: die Kenntnis des Originals und die Ähnlichkeit mit ihm. Wenn also die Bibel sagt, der Mensch sei eine Kopie, eine Nachbildung Gottes, dann wertet sie ihn nicht ab, sondern beschreibt eine Aufgabe fürs Leben. Das Original ist greifbar geworden in Jesus, dem menschgewordenen Gott. An ihm kann man sich orientieren, so wie es Elisabeth und Pauline und viele andere Männer und Frauen getan haben – und tun!

Text: Claudia Auffenberg